Nach Frankreich (1955), England (1957), den USA (1963) und Ungarn (1968) trafen im Juni 1984 im Niedersachsen-Stadion von Hannover nunmehr gleich drei Mannschaften zu einem Länderkampf gegen die Bundesrepublik an. Gegner des DLV-Teams waren Polen, die damalige Tschechoslowakei und Frankreich. Es sollte der letzte Länderkampf sein, der in dem 1954 eingeweihten Stadion in der niedersächsischen Landeshauptstadt ausgetragen wurde. Der DLV vergab gern Großveranstaltungen nach Hannover, weil er sich dort großen Zuschauerzuspruchs sicher sein konnte. Die meisten Besucher zog der Länderkampf 1957 gegen England an. An beiden Wettkampftagen zusammen passierten 96.700 Besucher die Stadiontore. Doch bei dem Vierländerkampf am 15./16. Juni 1984 war es ganz anders.
Er war zwar vom DLV als eine wichtige Qualifikationsmöglichkeit für die Olympischen Spiele Anfang August in Los Angeles vorgesehen. Doch bei sehr kühler, fast herbstlicher Witterung fanden nur insgesamt 6.000 Zuschauer den Weg ins Stadion. In der Fachzeitschrift „Leichtathletik“ war nach der Veranstaltung zu lesen: „Der mit so viel Einsatzfreude und Begeisterung betriebene organisatorische Aufwand hatte in der herbstlich kühlen Witterung einen zu großen Widersacher. Die Leistungen und der Besuch litten darunter“.
Olympiasieger im deutschen Team
Dennoch wurden mehrere großartige Leistungen erzielt. Immerhin standen mit Claudia Losch (Kugel), Ulrike Meyfarth (Hochsprung), Rolf Danneberg (Diskus) und Dietmar Mögenburg (Hochsprung) vier Athletinnen und Athleten im deutschen Team, die bei den Olympischen Spielen in Los Angeles die Goldmedaille gewannen. Auch in den gegnerischen Mannschaften standen hochkarätige Athleten. Die Polen waren mit Marian Woronin angereist. Er hatte eine Woche vorher mit 10,00 Senkungen einen neuen Europarekord über 100 Meter aufgestellt.
Zur tschechoslowakischen Mannschaft gehörte Jarmila Kratochvilova, mit 47,99 Sekunden und 1:53,28 Minuten die Weltrekordlerin über 400 Meter und 800 Meter.
400 Meter-Europarekordler Erwin Skamral unter 46 Sekunden
Trotz der niedrigen Temperaturen konnte sich Marian Woronin in 10,27 Sekunden über 100 Meter durchsetzen. 400 Meter-Europarekordler Erwin Skamral (SV Groß Ilsede/44,50 Sek) lief auf seiner Spezialstrecke nach 45,91 Sekunden als Erster durchs Ziel. Harald Schmidt (TV Gelnhausen) war über 400 Meter Hürden nicht zu schlagen. Er passierte nach 49,18 Sekunden die Lichtschranke. In Los Angeles gewann er in 48,19 Sekunden die Bronzemedaile. Mit 85,80 Metern gelang Wolfram Gambke (LG Wedel/Pinneberg) der weiteste Wurf mit dem Speer.
Auch am zweiten Tag wurden einige beachtenswerte Leistungen erzielt. Der erst 19jährige Ralf Lübke von LG Bayer Leverkusen setze sich in 20,98 Sekunden deutlich über 200 Meter durch. Thomas Wessinghage (ASV Köln), zwei Jahre vorher Europameister über 5.000 Meter, war in 7:49,49 Minuten über 3.000 Meter als Erster im Ziel. Auch Karl-Hans Riehm (TV Wattenscheid) holte mit 78,26 Metern im Hammerwerfen die Höchstpunktzahl für die Gastgeber.
Jahresweltbestzeit über 3000 Meter-Hindernis
Dietmar Mögenburg (ASV Köln) und Rolf Danneberg (LG Wedel/Pinneberg), die wenig später bei den Olympischen Spielen in Los Angeles triumphierten, mussten sich beide mit dritten Plätzen begnügen, Mögenburg mit 2,21 Meter im Hochsprung und Danneberg mit 65,90 Metern im Diskuswerfen.
Die wohl beeindruckenste Leistung in den Wettbewerben der Männer erzielte der Franzose Joseph Mahmoud. Seine über 3.000 Meter-Hindernis gelaufenen 8:16,83 Minuten bedeuteten Jahresweltbestzeit.
Doppelsieg für Margrit Klinger
Im Frauenteam des DLV rückten Ulrike Meyfahrth (LG Bayer Leverkusen) und Claudia Losch (LAC Quelle Fürth) ins Blickfeld. Meyfarth gewann mit für die Witterungsverhältnisse ausgezeichneten 1,94 Metern den Hochsprung und Losch setzte sich mit 20,55 Metern im Kugelstoßen durch.
Ebenfalls erfolgreich war Margrit Klinger (TV Obersuhl). Sie lief über 800 Meter nach 2:01,20 Minuten als Erste über den Zielstrich. Sie war an diesem Wochenende nicht zu schlagen. Auch auf der 1.500 Meter-Distanz siegte sie in sehr ansprechenden 4:05,50 Minuten. Ingrid Thyssen (LG Bayer Leverkusen) sicherte sich mit ebenfalls ausgezeichneten 65,54 Metern den Sieg im Speerwerfen. Ingra Manecke, die vom TK Hannover zum LAC Quelle Fürth gewechselt war, verwies im Diskuswerfen mit 64,84 Metern die Tschechoslowakin Zdenka Silhava (64,58 m) auf Platz zwei.
Auch Weltrekordlerin Jarmila Kratochvilova zweimal erfolgreich
Die Zuschauer warteten mit großer Spannung auf Jarmila Kratochvilova. Sie trat auf einer ihrer beiden Spezialstrecken, den 400 Metern und über 200 Meter an. Sie war auf beiden Strecken nicht zu schlagen. Die 200 Meter-Distanz, etwas ungewohnt für sie, durchlief sie in 22,57 Sekunden. Über 400 Meter blieb sie mit 49,33 Sekunden ein gutes Stück hinter ihrem Weltrekord von 47,99 Sekunden zurück. Bei dem schlechten Wetter durchaus nachvollziehbar.
Gesamtsiege für die deutschen Männer und Frauen
Was die sportlichen Leistungen insgesamt angeht, sind die Zuschauer „auf ihre Kosten gekommen“. Sie haben trotz der nicht idealen Verhältnisse mehrere sehr gute Leistungen gesehen. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen waren die deutschen Mannschaften am ausgeglichensten besetzt. Das war ausschlaggebend für ihre klaren Siege. Bei den Männern sammelte das deutsche Team 227 Punkte, gefolgt von Polen (182,5 P.), Frankreich (177 P.) und der CSSR (154,5 P.). Für die deutschen Frauen standen am Ende 163 Punkte zu Buche. Die Plätze zwei bis vier nahmen die CSSR (123 P.), Polen 115 P.) und Frankreich 87 P.) ein.
Als die Zuschauer nach Hause gingen, ahnten sie nicht, dass die Zeit der großen Leichtathletik-Veranstaltungen im Niedersachsenstadion bald vorbei sein würde. Es folgten 1991 nur noch die ersten gesamtdeutschen Meisterschaften. Dann war`s endgültig vorbei. Das Stadion wurde umgebaut und die Laufbahn entfernt. Die jetzt Arena genannte Sportstätte steht nur noch – von einigen Ausnahmen abgesehen – dem Fußball zur Verfügung. Das Schicksal teilt Hannover aber mit diversen anderen Städten.